Intérieur, 1955

Intérieur, 1955

Intérieur
1955
Öl auf Hartfaserplatte
64 x 49 cm

Hier stellen wir Ihnen ein Stillleben vor, in dem sich der lyrische und der konstruktivistische Stil André Evards überschneiden. In der Zeit von 1932 bis zu seinem Tod räumte Evard seinen figurativen Landschaften (figurative Landschaft einblenden), den Stillleben (Stilleben einblenden) und den konkret-abstrakten Darstellungen (abstrakte Komposition einblenden) gleich viel Platz in seinem Schaffen ein. 

Dieses Werk kann in zwei Bildebenen eingeteilt werden. Zum einen haben wir eine farbenfrohe Blumenwelt vor dem Fenster ganz im Stil seiner lyrischen Landschaften. Zum anderen haben wir den aus geometrischen Formen bestehenden Innenraum, der durch die Topfpflanze sowie den Vorhang an der linken Bildseite durchbrochen wird. 

Runde, organische Umrisse in der Pflanze und dem Vorhang sowie gerade Linien und geometrische Formen werden hier kontrastreich positioniert. Der Betrachter wird irritiert, da einerseits der geometrische Hintergrund an Menge überwiegt und andererseits das Hauptmotiv, eine organische Pflanze, in den Vordergrund platziert wurde. 

Der Vorhang erinnert in seiner Aufmachung entfernt an die Werkreihe “Symphonia”, während die Pflanze in ihrer Form fauvistische Züge trägt. Sie ist das Gegenstück zu dem Vorhang und dient einer vordergründigen Balance der Bildelemente, die aber durch die Auflösung der Perspektive ins Wanken gebracht wird. 

Auf der rechten Seite wird durch den Einsatz von Diagonalen eine Zentralperspektive vorgetäuscht, deren Fluchtpunkt innerhalb des Fensters liegen sollte. Tatsächlich aber wird deutlich, dass das Bild keinen Fluchtpunkt – also einen Punkt, in dem alle Linien zusammenlaufen – hat und dass somit auch keine Zentralperspektive vorliegt. Durch diesen Widerspruch und die rechtsbündige Positionierung der Pflanze kommt Unruhe ins Bild. Der Betrachter weiß nicht mehr, wohin er seinen Blick wenden soll. 

Ein weiteres Element, das zur Verwirrung des Betrachters beiträgt, sind die Schatten der Topfpflanze und des Fenstervorsprungs. Gemäß des Lichteinfalls vonseiten des Fensters müsste der Schatten eigentlich steiler nach hinten verlaufen. Auch der Schatten des Sockels in der linken Bildhälfte dürfte so nicht vorhanden sein. 

Diese Widersprüche werden von Evard gezielt eingesetzt, sei es, um die schwarzen Farbflächen auf beiden Bildhälften harmonisch auszugleichen, sei es um das Gemälde mit schwarzen Rechtecken zu rhythmisieren und Bewegung ins Bild zu bringen. 

Diese Spannung zwischen Harmonie und Unruhe, zwischen organisch und geometrisch, zwischen innen und außen könnte auf die Spannung zwischen den beiden Stilen von Evard hindeuten, die sich hier verbinden.