Sonnenuntergang, 1954

Sonnenuntergang, 1954

SONNENUNTERGANG
1954
Öl auf Hartfaser

Naturlandschaften bilden ein zentrales Motiv in Evards Werk. Er malt nicht nur verschiedene Naturgegenstände, sondern achtet genau auf bestimmte Lichtverhältnisse und lässt sich von Stimmungen in der Natur sowie von bestimmten Lichtsituationen leiten. So auch in unserem vorliegenden Gemälde.
Die vorliegende expressionistische Arbeit zeigt eine Seelandschaft  im Vordergrund mit einer Gebirgskette im Mittelgrund sowie einer Himmellandschaft im Hintergrund.

Die vermeintlichen Pflanzen, die sich am unteren Bildrand befinden, machen das Ufer des Sees und den See als diesen erkenntlich. Darüber hinaus grenzt die Gebirgskette den See ein. Stellt man sich das Gemälde ohne die Uferpflanzen und ohne Gebirgskette vor, wäre das Gewässer vermutlich nicht als solches erkennbar .
Der See ist ruhig, in ihm sind keine Wellenbewegungen zu erkennen. Auch der Himmel an sich ist ruhig gestaltet, es sind lediglich Wolken zu sehen. Dies trägt auch zu der ruhigen Atmosphäre der Landschaft bei, die das Gemälde dem Betrachter vermittelt. Durch die Ruhe des Sees und des Himmels kann sich der Betrachter auf die vielfältige Farbvariation und den intensiven Ausdruck der Farben fokussieren.

Der farbgewaltige Himmel gestaltet sich als Pendant zum ebenso farbenprächtigen Gewässer. Während der See in kalten Blau- und Grüntönen gehalten ist, besticht der Himmel durch sehr warme Rot- und Gelbtöne. Evard thematisiert also nicht nur Himmel und Erde bzw. Wasser per se als Gegensatzpaar, sondern untermauert diesen Gegensatz auch durch seine Farbwahl. Die schwarze Gebirgskette dient als Trennung zwischen dem kontrastierendem Mittel- und Hintergrund. Der Künstler erzeugt damit eine subtile Tiefenperspektive, die bei gleicher Farbfamilie wohl einen zweidimensionalen Effekt erzeugt hätte. Die kalten Töne im Vordergrund nehmen im Vergleich zu den warmen Tönen mehr Bildfläche in Anspruch. Dies führt dazu, dass die ruhige Atmosphäre, die durch die kälteren Töne erzeugt wird, die Oberhand über die durch die warmen Töne erregendere Stimmung behält und somit die Gesamtstimmung des Gemäldes dominiert. Dank der warmen Töne entsteht eine emotionale Nähe zwischen Betrachter und Gemälde. Als aufmerksamkeitserregende Farben lenken sie den Fokus des Betrachters auf das, was sie hier symbolisieren: den Sonnenuntergang.

Die Wolken am Himmel sowie auch die Berge sind in Schwarz gehalten. Diese Farbwahl dient ebenfalls der beruhigenden Abendstimmung. Darüber hinaus wird hierdurch die hereinbrechende Nacht vorausgedeutet.
Weiterhin können wir feststellen, dass sich die Wolken im See spiegeln und wir infolgedessen das Schwarz von ihnen widergespiegelt finden. Diese Spiegelung der Wolken kann als Verbindung der sonst scheinbar getrennten See- und Himmellandschaft aufgefasst werden. Sie überwindet die scheinbare Trennung und symbolisiert Einheit der zwei vermeintlich  getrennten Landschaften, die sich einander bedingen.
Die Sonne als zentraler Gegenstand eines Sonnenuntergangs sowie als Quelle für die verschiedenen Farben ist nicht zu sehen. Lediglich ihre Strahlen sind auszumachen.

Horizontale Linien dominieren das gesamte Gemälde. Ausnahmen bilden die Darstellungen der Berge und Pflanzen. Sie sind meist durch diagonale, selten auch durch senkrechte Linien dargestellt . Der direkte Vordergrund ist nicht nur durch Vertikallinien von seinem Hintergrund abgegrenzt, sondern auch durch den pastosen, fast schon reliefartigen Farbauftrag.
Der Pinselduktus gestaltet sich hier eher flächig als expressiv.

Als Schweizer lebte André Evard fast sein gesamtes Leben im Schweizer Hochjura. Neben den Bergen in unmittelbarer Umgebung befindet sich unweit seines Wohnortes La Chaux-de-Fonds der Neuenburgsee sowie der Bielersee. Immer wieder wurde er durch die Landschaft, die ihn als junger Mensch prägte, zu verschiedenen Landschaftsbildern inspiriert, die uns heute noch faszinieren.